Zielfragen:
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Das Magazin Training aktuell berichtet von einer Studie mit dem Titel "Im Seminar dominiert Frontalunterricht".
Diese Studie durchgeführt von einer Studierendengruppe der HTW Berlin in Zusammenarbeit mit der Dressler & Partner Academy zeigt, dass 49 Prozent der befragten Weiterbildungsanbieter Frontalunterricht am häufigsten einsetzen. Andere Methoden wie Fallbeispiele oder Workshops hingegen lagen bei der Befragung bei rund 20 Prozent.
Offensichtlich beherrscht der Frontalunterricht nach wie vor sehr stark die Unterrichtswirklichkeit. Ganz im Widerspruch zu dieser Vorherrschaft stehen der fragwürdige Ruf, den er bei Didaktikern genießt, und das schlechte Gewissen, mit dem er von vielen Lehrenden praktiziert wird.
Trägt diese Unterrichtsform tatsächlich zur Frontbildung zwischen Trainer und Teilnehmern bei? Manipuliert und entmündigt sie die Lernenden? Oder erklärt sich ihre Dominanz aus einer letztlich unschlagbaren Effektivität?
Kurzbeschreibung
Im Frontalunterricht dominiert in der Regel der Lehrende, der den Lehrstoff lehrgangsartig, kursorisch oder systematisch im Sinne des Vortrags und des Lehr-Gesprächs vermittelt, veranschaulicht, doziert oder abfragt. Die darbietenden Formen stehen im Vordergrund: Vortragen, Vorlesen, Vorführen, Demonstrieren, Erklären durch Veranschaulichen, Referat, Lehrgespräch usw. In der frontalen Unterrichtssituation wird unterstellt, dass alle alles zur gleichen Zeit aufnehmen und verstehen und somit dem tradierten Verständnis von Comenius ("Man kann allen Menschen alles lehren") Rechnung trägt.
Heute werden auch verschiedene Medien (Powerpoint oder Video, beispielsweise) eingebaut, um den Frontalunterricht aufzulockern bzw. zu rhythmisieren. Diese darbietenden Formen sind Unterrichtssequenzen, während denen die Lehrperson alle Fäden fest in der Hand hält. Ziele, Lerninhalte, Arbeitsmittel und Methoden sind für alle Lernenden identisch, der Zeitrahmen ist für alle verbindlich.
Lebendig und nachhaltig?
Im Frontalunterricht übernimmt der Vortragende die wesentlichen Steuerungs-, Kontroll- und Bewertungsaufgaben. Die direkte Zusammenarbeit der Teilnehmer untereinander wird nur begrenzt zugelassen - die Kommunikation (sternförmig) zwischen dem Trainer und den Teilnehmern steht im Vordergrund der Aufmerksamkeit. In der Mehrzahl der Themen oder Fächer müssen die Teilnehmer den größeren Teil der Zeit sitzend zubringen und dabei nach vorn zum Trainer, auf die Präsentation bzw. in das Skriptum schauen. Frontalunterricht ist überwiegend thematisch orientiert. Dies heißt, dass eine kognitive Strukturierung des Unterrichtsablaufs vorherrscht. Die Wirklichkeit, die durch das methodische Handeln im Unterrichtsprozess hergestellt wird, ist überwiegend sprachlich, nur zum Teil bildlich und kaum über aktive Teilnehmerhandlungen vermittelt. Dabei ist der Sprechanteil des Trainers regelmäßig höher als der aller Teilnehmer eines Seminars zusammen.
Der typische Ablauf einer Frontalunterrichtseinheit könnte folgendermaßen aussehen:
Das bis jetzt Erwähnte impliziert bereits erste problemhaltige Aspekte des Frontalunterrichts. Wird er als alleinige Lehr- und Lernform eingesetzt, verkommt der Unterricht zur methodischen Monokultur. Passivität, Mangel an Selbständigkeit und Verantwortungsübernahme sind dann praktisch unvermeidbar. Im Frontalunterricht kann sich die Lehrperson zwar authentisch einbringen und Informationen schnell und einheitlich vermitteln. Individuelle Lernwege, das persönliche Arbeitstempo und kooperative Arbeitsformen werden im reinen Frontalunterricht jedoch völlig vernachlässigt.
Weg mit dem Frontalunterricht?
Ihn auf Grund dessen rundweg abzulehnen, käme einer Verteufelung gleich, die fachlich nicht haltbar ist. Die Problematik liegt nicht in der Methode per se, sondern in deren übermäßigem, unreflektiertem Einsatz, der meist mit mangelnder Methodenqualität einhergeht. Kompetent eingesetzt, stellt der Frontalunterricht eine wertvolle, unersetzbare Unterrichtsform dar.
In dem fast immer lehrgangsmäßig aufgebauten Frontalunterricht herrscht ein Macht- und Kompetenzgefälle zwischen dem Trainer und seinen Teilnehmern. Dies muss zwar nicht grundsätzlich so sein, ist im Seminaralltag jedoch oftmals die Regel. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Trainer immer physisch anwesend ist oder immer vor den Teilnehmern steht, redet und handelt. Er kann sich vielfältige Stellvertreter suchen: Er kann einen Teilnehmer beauftragen, eine Präsentation zu halten; er kann einen Film vorführen usw.
Der Frontalunterricht erzieht aber fast zwangsläufig zur Passivität und Anpassung, zum Ruhe-, Ordnung- und Disziplinwahren. Er ist seiner Struktur nach konservativ - auch dort, wo die vom Lehrer vermittelten Inhalte und Einstellungen fortschrittlich oder gar revolutionär sein könnten.