7.10 Die eigene Rolle reflektieren

Reflexionen sind unverzichtbare Elemente handlungsorientierter Methoden!

Reflexionen in Form von Auswertungen der Lern-, Spiel- und Gruppenprozesse ermöglichen beim experimentierenden Lernen in Modellen den Rückbezug zur Realität und eine kritische Rollendistanz; bei erforschenden Lernprozessen eine Verallgemeinerung der Ergebnisse und eine kritische Betrachtung möglicher Einseitigkeiten. Die Lernenden überdenken ihre Entscheidungen, vergleichen die Planungen mit den erzielten Ergebnissen, sie lernen aus den Erfolgen und Fehlern, reflektieren aus kritischer Distanz alternative Handlungsmöglichkeiten und das eigene Lern- und Arbeitsverhalten während des Prozesses. Auswertungen ermöglichen den Lernenden auch Erfolgserlebnisse, die über ein bloßes Gewinnen hinausgehen. Sie ermitteln, welche Lernergebnisse erzielt wurden, welche Lücken noch bestehen und Weiterarbeit notwendig machen.

Durch Reflexionen werden arbeitsteilig erarbeitete Ergebnisse allen Lernenden zugänglich gemacht und sichern so einen gemeinsamen Lernzuwachs. Dies ist unbedingt erforderlich, da in nahezu allen dargestellten handlungsorientierten Methoden arbeitsteilig handelnde Gruppen wirken, die die Ergebnisse, Planungen, Strategien der anderen Gruppen in unterschiedlichem Ausmaß erfahren, so dass die Lernzuwächse bedingt durch die Rollenidentifikation und Arbeitsbereiche äußerst unterschiedlich sind. Schon während der Durchführung der handlungsorientierten Methoden sollten Verlaufsprotokolle, Ergebnisdarstellungen, Wandzeitungen, Gruppenbücher, Arbeitspläne und Verlaufsrückmeldungen einen gemeinsamen Überblick ermöglichen. Sie können in der Reflexionsphase wertvolle Hilfestellung geben.

Durchführung von Handlungen unter Zeitdruck sowie Rollenidentifikation können in den modellinitiierten Lernprozessen mit unkritischer Übernahme von Sachzwängen und Ideologien verbunden sein. In den selbstgesteuerten Lernprozessen sind in gewissen Problembereichen bei Überengagement einseitige Betrachtungen möglich, die der Auseinandersetzung mit Gegenpositionen evt. nicht standhalten. Solche Ergebnisse müssen in der Reflexion kritischer Auseinandersetzung zugänglich gemacht werden. Reflexionen sind somit zwingend erforderlich für das emanzipatorische Potential der handlungsorientierten Methoden; sie können aber auch selbst handlungsorientiert ausgestaltet werden.

Reflexionen haben im allgemeinen folgenden Ablauf:

Beschreibung/
Vorgehen
  1. Zu Beginn wird als gemeinsame Diskussionsgrundlage eine allgemeine Übersicht über den Spiel-/Lernprozess und seine Ergebnisse gegeben.

  2. Die Ziele, Strategien, Handlungen und ihre Wirkungen werden analysiert, Ergebnisse bewertet, alternative Handlungsmöglichkeiten abgewogen. Die Vorzüge und Schwächen des Gruppenprozesses sowie der individuellen Beiträge werden herausgestellt.

  3. Die Entscheidungen und Handlungen sowie die Modelle der modellinitiierten Methoden werden auf ihren Realitätsgehalt, die Ergebnisse der selbstgesteuerten Methoden unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Ergebnisse auf ihre Verallgemeinerbarkeit hin untersucht.

  4. Die erzielten Lernzuwächse werden ermittelt und evtl. vorhandene Wissens- und Informationsdefizite aufgedeckt.

  5. Letztendlich können die Ergebnisse beurteilt werden hinsichtlich ihrer Konsequenzen für die zukünftige Verbesserung des Handlungsrepertoires in Bezug auf die individuelle, soziale und politische Praxis sowie die Anwendung von Denk- und Arbeitstechniken.

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Auswertungskriterien für Reflexionen

Die Reflexionen müssen auf die unterschiedlichen Lerngegenstände der handlungsorientierten Methoden hin konkretisiert werden. Allgemeine Auswertungskriterien von Reflexionen finden sich in der folgenden Tabelle.

Gruppenprozess (Lernmilieu) Übungs- und Arbeitsprozess (Lernprozess) Realitäts- und Wissenschaftsbezug Allgemeine Auswertung
  • Selbstbewertung des Einzelnen im Gruppenprozess
  • Gleichmäßige Beteiligung der Lernenden am Gruppenprozess
  • Art der Beteiligung der Individuen
  • Sachbezogenheit und Konstruktivität der Auseinandersetzung
  • Existenz kritischer Situationen und Spannungen
  • Problemlösung in kritischen Situationen
  • Analyse der Ziele
  • Strategien
  • Handlungen
  • Konsequenzen
  • Wirkungen
  • Ergebnisse
  • Arbeitstechniken
  • Prüfung von Alternativen
  • Bewertung des Ergebnisses
  • Realitätsbezug der Entscheidungen, Handlungen, Modelle
  • Wissenschaftlichkeit und Verallgemeinerbarkeit der Erkenntnisse
  • Spaß
  • Über- oder Unterforderung
  • Lernzuwächse – Bedeutung der Erfahrungen für die Lernenden
  • Informationsdefizite, Lücken, Schwerpunkte zur Weiterarbeit
  • Konsequenzen für Lernen und Handeln aus den neu erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten, Fehlern und Irrtümern
  • Verbesserungs- und Vermeidungsvorschläge für künftige Aktivitäten

Für die einzelnen Reflexionsstufen können die unterschiedlichsten Methoden eingesetzt werden. Nicht nur die folgenden, hauptsächlich für Reflexionen eingesetzten, Methoden bieten sich an, sondern auch Techniken (Kurzmethoden), Diskussionsmethoden, usw., oder auch Mindmaps können je nach Reflexionsziel und -tiefe verwendet werden.

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Beispiele für "andere" Methoden, um Reflexionen zu initiieren

Verwendung des Brainstormings zur Reflexion

Indem an einem Flipchart persönliche Lernergebnisse gesammelt werden und alle für sich notieren bzw. auf einem daraus abgeleiteten Fragebogen ankreuzen, welchen Lernerfolg sie für sich persönlich verbuchen.

Verwendung von aktivierenden Fragebögen zur Reflexion

Fragebögen mit offenen Fragen, Antworten zum Ankreuzen, Auswählen, mit Einschätzungs- oder Zustimmungsprofilen, die von den Lernenden persönlich, durch Paarinterviews, Reporterbefragungen beantwortet werden.

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