4.1 Lerndimensionen
Was Pestalozzi mit der gleichzeitigen Ausbildung von Kopf, Herz und Hand gemeint hatte, sind auch heute nachdenkenswerte Anregungen, die wir nicht übergehen können. Was die Lerndimensionen betrifft, so unterscheidet man folgende drei Bereiche:
- Den Aspekt der Belehrung, der Vermittlung von Wissen, den inhaltlichen Aspekt des Lernprozesses, den er als informationsverarbeitenden geistigen Prozess mit reproduktiven und kreativen Leistungen hervorhebt. Wir sprechen im Sinne der gegenwärtigen Psychologie hier vom kognitiven Bereich.
- Der zweite Bereich bezeichnet eine emotionale Ebene, die Freude, die Lust, die persönliche Beziehung, Sympathien und Antipathien, deren Bedeutungen für den Lernprozess nicht vernachlässigt werden dürfen. Hier gilt der Grundsatz, dass besser gelernt wird, wenn eine innere Beteiligung des Lernenden, eine Motivation, angetroffen oder erweckt werden kann.
- Der dritte Bereich hebt die Notwendigkeit der Anwendung, der Praxis, der Tätigkeit des handelnden Individuums hervor, damit nicht "ein Wissen von toter Hand produziert werde".
In dem sehr praxisorientierten Modell Paul Heimanns, das sich mit Aspekten der Analyse, Planung und Durchführung von Unterricht beschäftigt, finden sich zentrale Überlegungen zu den Lerndimensionen.
Für dieses Schema gelten folgende Regeln:
- Es findet zwischen den verschiedenen Aspekten eine permanente Induktion statt, d.h. alle Aspekte bedingen und durchdringen sich in der Persönlichkeit. Sie werden von uns nur modellhaft unterschieden, um ein präziseres Verständnis von der Persönlichkeit zu gewinnen. Es zeigt sich eine notwendige Stufenfolge, eine dimensionale Bereicherung, die von unten nach oben führt. Als höchster Ausdruck steht das Werk, die Lebensgestaltung, Tat des Individuums, eine einheitliche Handlung. Hier ist es nicht mehr erkennbar, ob diese einheitliche Handlung mehr von der Erkenntnis gesteuert ist, aus dem Antriebsleben kommt oder durch Gefühlsrichtungen bestimmt wird. Es ist anzunehmen, dass diese einheitliche Handlung von allen drei Achsen beeinflusst wird, wobei es vom Einzelfall abhängt, welche der Achsen dominiert.
Die Probleme der affektiven Dimension werden für die Unterrichtsplanung zumeist vernachlässigt. Die hier stattfindende Tabuisierung führt dazu, dass sich Lehrende vielfach ihrer eigenen (Vor-) Urteile nicht bewusst werden. Zu beachten ist, dass Anmutungen sowohl auf Seiten der Lehrenden wie der Lernenden wirken.
Deshalb ist es wichtig, gerade im Bereich des Lernens Erwachsener, mögliche Probleme offen zur Sprache zu bringen, zumindest zu versuchen, sie aus dem Bereich der Irrationalität herauszuführen.
Da wir hierin - schon aufgrund der eigenen überwiegend kognitiv vermittelten Lernerfahrungen - vielfach ungeübt sind, ist allerdings ein taktvolles Vorgehen angemessen und mit schnellen Erfolgen nicht zu rechnen. Wer jedoch erfolgreiche Lehrende in der Praxis beobachtet, wird feststellen, dass sie zumeist diesen Bereich sehr gut beherrschen: Sie haben es nicht nötig, sich als unangreifbare Sachgötter zu etablieren, sondern weil sie in der Sache gut fundiert, aber als Person offen für Anregungen und Kritik sind, gewinnen Lernende Vertrauen zu ihnen und werden gut motiviert. Motiviert sein und angemutet sein, fällt hier zusammen.
Was nun die Erlebnisse betrifft, so darf man nicht verzweifelt nach Gelegenheiten suchen, sie unter Zwang herbeizuführen. Hier geht es oft auch im kleinen Bereich: Lege ich eine Arbeitsaufgabe so an, dass möglichst alle sie bewältigen können, so stifte ich ein Erfolgser-lebnis, das sich auch auf dieser emotionalen Achse befindet. Erlebnisse im Unterricht sollen möglichst positiven, verstärkenden Charakter haben.
Was die Haltungen und Gesinnungen betrifft, so ist eine Veränderung dieser Dimension durch Unterricht mit Erwachsenen nur äußerst schwer zu erreichen. Hier muss einerseits vergegenwärtigt werden, dass Erwachsene oder ältere Jugendliche ja bereits einen langen Lernweg hinter sich haben, so dass wir auf festgeformte Haltungen stoßen.
Es gibt keinen Erkenntnisvorgang, der ohne Erlebnisspuren und Handlungsmomente abläuft, es gibt kein Erleben ohne ein Erkennen, kein Handeln ohne Erfahrung und Denken.
Infobox
- Die 3 Dimensionen von Lernen
- Wechselwirkung der Lerndimensionen ist notwendig
- Haltungs- bzw. Gesinnungsänderung bei Erwachsenen durch formelles Lernen herbeizuführen ist äußerst schwierig
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SELBST GELERNT HÄLT BESSER - SERIE 1 / Teil 1, "Konstruktivistische Didaktik & Methodik"
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