Zielfragen:
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Erkenntnis (Lernen) als Konstruktion: Die Kernthese des Konstruktivismus lautet: Menschen sind autopoietische, selbstreferenzielle, operational geschlossene Systeme. Die äußere Realität ist uns sensorisch und kognitiv unzugänglich. Wir sind mit der Umwelt lediglich strukturell gekoppelt, das heißt, wir wandeln Impulse von außen in unserem Nervensystem "strukturdeterminiert", das heißt auf der Grundlage biographisch geprägter psychophysischer kognitiver und emotionaler Strukturen, um.
Die so erzeugte Wirklichkeit ist keine Repräsentation, keine Abbildung der Außenwelt, sondern eine funktionale, lebensfähige Konstruktion, die von anderen Menschen geteilt wird und die sich biografisch und gattungsgeschichtlich als lebensdienlich erwiesen hat (Siebert 1999).
Autopoietische Systeme sind strukturdeterminiert, von außen nicht direkt beeinflussbar und erzeugen sich selbst. Nach konstruktivistischer Auffassung entwickeln Menschen im Lernprozess viable (gangbare, brauchbare, funktionale, lebensfähige) Modelle, die es ihnen ermöglichen, sich in einer ihnen im Prinzip unzugänglichen Welt zu orientieren oder Probleme zu lösen.
Basierend auf die Lernforschung distanziert man sich heute von der Illusion es gebe eine Didaktik, die es uns ermöglicht "Lernen" durch "Lehren" zu bewirken. Menschen sind eben nicht als "triviale Maschinen" zu verstehen, welche nach dem Prinzip des Input-Output funktionieren. (Dies erklärt auch die Problematik, dass manches Mal die Inhalte doch so gut und klar vermittelt werden, aber trotzdem nicht von den Teilnehmern gelernt werden.)
Neurodidaktik oder Erkenntnis (Lernen) als subsymbolische, neuronale Vernetzung: Neuronale Netze haben keine Regeln (Zuordnungsregeln) z.B. zur Mustererkennung "gespeichert", sondern das "Regelwissen" wird durch die Konstruktion neuronaler Vernetzungen bzw. durch die Verstärkung neuronaler Verbindungen repräsentiert (lernende Netzwerke). Dann erscheinen geistige Prozesse in einem ganz neuen Licht. Solche Prozesse sind nicht regelhaftes Hantieren mit Symbolen, sondern ein nur schwer mit Regeln beschreibbarer subsymbolischer Prozess, in dessen Verlauf interne Repräsentationen sich beständig verändern. Regeln sind nicht im Kopf, sie sind lediglich brauchbar, um bestimmte geistige Leistungen im Nachhinein zu beschreiben“ (Spitzer 2000).
Lernen erfolgt also in einem selbstreferentiellen System, dessen Komplexität aus den eigenen Strukturen selbst entsteht. Je nach Lernbiografie und Vorerfahrungen erscheint das System jedes einzelnen komplexer und unterschiedlicher. Was wir lernen, hängt somit von der Wirklichkeit und Bedeutung unseres individuellen Systems ab.
Es wird klar, warum manche Informationen von Lernenden aufgenommen und "verarbeitet" werden, wohingegen andere diese offensichtlich als "unwichtig ignorieren" und scheinbar nicht "annehmen".
Aus diesem Grund wird häufig nicht das gelernt, was gelehrt wird, bisweilen etwas anderes gelernt, als gelehrt wurde, oder es wird etwas gelernt, was überhaupt nicht gelehrt wurde.
Zudem ist Erwachsenenlernen ein reflexives Lernen, d.h. es "erschöpft" sich nicht im Austausch lebensweltlicher Erfahrungen, sondern ist darum bemüht, diese Erfahrungen vor dem Hintergrund einer neuen Perspektive zu rekonsturieren und zu interpretieren. Denn - wie bereits erwähnt wurde - die Lernenden sehen die Welt so, wie sie diese sehen (können). Gelangen sie mit diesen ihren eingelebten Deutungen an eine Grenze so benötigen sie eine neue, weiterführende Perspektive, welche ihnen hilft, neue gangbare (viable) Wege und Handlungsmöglichkeiten für sich zu erkennen. So wird Erwachsenenlernen zu einem "Deutungslernen", d.h. zu einer reflexiven Arbeit an den eigenen Mustern, welche den bisherigen Blick auf die Tatsachen und Gegebenheite sowie die eigenen Indentitätsbilder und Lebensentwürfe zum Gegenstand hat.
Gehirnforschung und Lernen
Auf der Grundlage physiologischer Fakten errechnet Spitzer (2002) die vom Gehirn aufgenommene Gesamtmenge von Informationen (Input) mit knapp 100 Megabyte pro Sekunde. Diese ungeheure Menge von Information muss zu Impulsen verarbeitet werden. Sie verlassen das Gehirn zum größten Teil und steuern unser Verhalten. Diesen Output gibt Spitzer mit 50 Megabyte pro Sekunde an. Wegen dieser Unmenge von Dateninput muss das Gedächtnis wie ein Sieb funktionieren. Dies bedeutet, dass es nicht nur Überflüssiges durchlaufen lässt, sondern Wichtiges, das man behalten möchte festhält. Die Fülle von "Informationen", die zwar physikalisch vorhanden, aber für die jeweilige Person und ihr Weltbild nicht relevant sind, wird nicht "wahrgenommen".
Eine Doppelfunktion des Gehirns ist Basis für die Handlungsfähigkeit des Menschen:
Prinzipiell beschreibt Spitzer Arbeit und Leistung des menschlichen Gehirns folgendermaßen: "Unser Gehirn macht aus flüchtigen Eindrücken bleibende Verbindungen zwischen Nervenzellen. Aus Erlebnissen werden Spuren im Gehirn." In unserem Gehirn sind Repräsentationen der Welt und des Körpers vorhanden. Lernen und Gedächtnis führt zu einer dauerhaft veränderten Signalübertragung zwischen den Nervenzellen. Erst nach Stunden oder Tagen sind die molekularen Veränderungen abgeschlossen. Emotionale Zustände und auch Schlaf spielen dabei eine große Rolle (Markowitsch 2002, Spitzer 2002).
Basierend auf den Ergebnissen dieser und anderer neurowissenschaftlichen Forschung können Thesen beschrieben werden, welche die Möglichkeit eines lebenslangen Lernens bestätigen (siehe auch Siebert 2009, S. 33 ff.):
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