IM FOKUS Eine wesentliche Rolle für eine gute Atmosphäre zwischen Menschen spielt die innere Einstellung.“ seits braucht es auch das Hineinspüren in uns selbst, wie es uns geht. Eine Kranken- schwester, die den ganzen Tag empathisch im Umgang mit ihren Patientinnen und Patienten ist, muss abends aus dieser Empathie wieder herausfinden, denn sonst schafft sie bald ihre Arbeit nicht mehr. innere Einstellung. Wenn man jemanden etwas fragt und hat eigentlich gar kein Inte- resse daran, dann spürt das der andere. Wichtig ist, andere Menschen sein lassen zu können, wie sie sind, und offen dafür zu sein, was sie interessant macht. Auch die Erkenntnis, dass – gerade störende – Ver - haltensweisen anderer oft gar nichts mit einem selbst zu tun haben, ist etwas, was gute Beziehungen und damit eine ange- nehme Atmosphäre fördert. Eine solche innere Einstellung – ohne andere zu beur- teilen oder schlechtzumachen – ist natür- lich auch ein Lernprozess, das geht nicht von heute auf morgen. Kann man das lernen? Ja, wir können lernen, unser Gehirn auf neue Art zu verwenden – dazu gibt es neue Lernstrategien, wie sie zum Beispiel auch an den WIFIs angewendet werden. Und genau das brauchen wir dringend für die Zukunft. Denn die Unmengen an Informa- tionen, die auf jede/n von uns täglich hereinprasseln, sind anders nicht zu bewältigen. Dieses reduzierte Denken, das uns vorgegeben wird, das muss sich drin- gend ändern. Es ist wichtig, dass wir uns da bewusst herausnehmen und uns selbst, unseren eigenen Bedürfnissen und Stärken, zuwenden und Kreativität zulassen. Hilft uns das schwierige Jahr 2020 bei diesem Lernprozess? Auf jeden Fall hat sich gezeigt, wie kreativ Menschen sein können, um – trotz Social Distancing oder besser gesagt Physical Distancing – miteinander Kontakt halten zu können. Ich glaube, wir haben alle in diesem Jahr unsere guten Beziehungen zu anderen noch mehr zu schätzen gelernt – und uns noch bewusster dafür engagiert. Was bedeutet „gesunde Kommunikation“ genau? Gesunde Kommunikation ist ganzheitlich zu betrachten. Sie bedeutet erstens Kommunikation mit sich selbst – also die Fähigkeit, den eigenen Körper zu spüren. Zweitens einen befriedigenden Austausch im privaten Umfeld und drittens gute Beziehungen im Beruf. Nur wenn Kommu- nikation auf allen drei Ebenen so funktio- niert, dass man sich wohlfühlt, ist sie gesund. Die Schwierigkeit ist, dass alle drei Faktoren erfüllt sind. So beherrschen manche die Kommunikation mit anderen, vergessen dabei aber ganz auf sich selbst. Wir müssen wieder lernen, darauf zu achten, wie es den anderen geht, wie sie auf einen reagieren, und umgekehrt, wie man selbst auf sie reagiert. Und anderer- Wie können wir ein gutes Miteinander aktiv beeinflussen, und wie profitieren wir alle davon? Indem wir uns fragen: Was kann ich dazu tun, damit die anderen zum Beispiel gerne mit mir zusammenarbeiten? Ein Fehler wäre die Erwartungshaltung, dass andere die Weichen für eine gute Zusammen- arbeit stellen. Unerfüllte Erwartungen führen zu Enttäuschungen und erschweren gute Beziehungen. Mit Sozialkompetenz verbessert sich zudem auch die Fach- und die Selbstkompetenz. An Projekten kann man nicht alleine arbeiten – hier kommt die Fachkompetenz erst im Mitein- ander zur Geltung. Und wenn ich mich selbstbewusst einbringe, statt auf andere zu warten, verbessere ich meine Selbst- kompetenz. Wann ist eine Beziehung gut? Eine Beziehung ist dann gut, wenn darin fünf Rollen gelebt werden können: 1. Die Mann-Frau-Rolle – damit ist in der Partner- schaft natürlich die erotische Komponente gemeint. Aber auch auf beruflicher Ebene trägt ein wertschätzender, spielerischer Umgang zwischen den Geschlechtern zu einer guten Beziehung bei. 2. Geben und Nehmen muss in Balance sein. 3. Spielen – das heißt, dass man gemeinsam neugierig sein kann und entdecken will, was gleich- zeitig immer auch Lernen und Glück bedeutet. 4. Das Umfeld – wie sollen mich die anderen sehen? Die 5. Rolle steht im Zentrum dieser vier anderen – das bin ich als Individuum, das auch Zeit für sich selbst braucht. Für ein gleichwertiges Mitein- ander – zum Beispiel in der Zusammen- arbeit in einem Team – ist jede dieser fünf Rollen wichtig. Ist ein gleichwertiges Miteinander auch in der Führung möglich? Erfolgreiche Führung ist heute nur mit einem gleichwertigen Miteinander mög - lich. Führen heißt Verantwortung über- nehmen, und die Verantwortung einer Führungskraft liegt darin, dass jede Mitar- beiterin, ihren/seinen Arbeitsplatz zur Verfügung hat und selbst so gestalten kann, dass die Leistung erbracht bzw. ein bestimmtes Ziel erreicht werden kann. Anders gesagt: Führungs- jeder Mitarbeiter Führungskräfte tragen die Verantwortung, dass Mitarbeiter/innen selbstverant- wortlich arbeiten können.“ kräfte haben dafür Sorge zu tragen, dass es ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglicht wird, selbstbestimmt und selbst- verantwortlich vorgegebene Ergebnisse zu erzielen. Innerhalb dieses Werterahmens kann sich jede/r einbringen. Wie beeinflusst die Digitalisierung den Umgang miteinander? Die Digitalisierung leistet ohne Zweifel Großartiges, um miteinander in Kontakt zu treten und zu bleiben. Aber sie ersetzt nicht die persönliche Kommunikation. Wir müssen technologische Möglichkeiten vernünftig einzusetzen, sodass sie unsere Arbeit erleichtern. Wir müssen aber gleichzeitig aufpassen, dass wir dabei nicht vereinsamen. Denn wir sehnen uns nach den Emotionen, die wir vor allem im persönlichen Miteinander spüren. lernen, neue WIFI-Magazin LENA 2020 21