IM FOKUS nicht „vermittelt“ werden können, son- dern das menschliche Gehirn lediglich in der Lage sei, sich diese selbst anzueig- nen. Einige dieser Wissenschaftler:innen erinnerten auch daran, dass der Mensch das „lernende Tier“ sei und diese Lern- fähigkeit ihn geradezu ausmache – seit Beginn der Menschheit und lange bevor es Lehrpersonen sowie institutionali- sierte Lehr-Lern-Angebote gab. Die WIFIs waren mit unter den ersten Bildungsanbietern, die aus diesen Be- funden Konsequenzen zogen und sich darum bemühten, eine stärker lerner- und lernerin nen orientierte Didaktik flä- chendeckend zu realisieren. Werden die gefragten Skills des 21. Jahr- hunderts durch LENA gefördert? Wenn Ray Kurzweil, der Chefingenieur von Google, in seinem Buch zur Sin- gularität feststellt, dass die Menschheit im 21. Jahrhundert einen Veränderungs- schub erleben wird, der vergleichbar mit der Veränderungsintensität der letzten 20.000 Jahre sei, mag das vielleicht übertrieben sein. Es zeigt aber, wohin die Reise geht: Wir benötigen in Zukunft Menschen, die in der Lage sind, sich fle- xibel sowie reflektiert an Veränderungen anzupassen und „neuartige Probleme selbstorganisiert zu bewältigen“, wie die EU-Kompetenzdefinition festlegt. LENA zielt mit seiner Nachhaltigkeitsorien- tierung genau auf die Stärkung dieser Selbstlern- und Selbstorganisationskom- petenzen ab. Welche Rolle spielt die Digitalisierung dabei? Wir beobachten, dass das Thema Hal- tungs- und Persönlichkeitsbildung eine immer größere Bedeutung in der Wei- terbildung von Fach- und Führungs- kräften erlangt. Deshalb könnte der Zu- kunftsslogan lauten: „Wir begleiten nicht allein die Kompetenzentwicklung ihrer Mitarbeitenden, sondern fördern auch ihre Haltung und Persönlichkeitsentwick- lung!“ Für diese Aufgabe sind Lernbe- gleiter:innen notwendig, die eine Reso- „Der Zukunftsslogan könnte lauten: Wir begleiten nicht allein die Kompetenz- entwicklung ihrer Mitarbeitenden, son- dern fördern auch ihre Haltung und Per- sönlichkeitsentwicklung.“ nanz zu den Lernenden aufbauen und diese wertschätzend begleiten können. Dazu zählt auch, dass sie Zugänge zu Lernressourcen eröffnen und die Ler- nenden nur dann zur Präsenz einladen, wenn Begegnung nötig und sinnvoll ist, z. B. bei Haltungsbildung und Resonanz sicherung. Wissenszugän ge sowie Anwen- dungs- und Vertiefungsübung können heute komfortabler, individualisierter und zeitsparender virtuell organisiert werden. Wie wird LENA in Zukunft Kompetenzen erfolgreich fördern? Der Fokus muss meines Erachtens in Zu- kunft auf der Frage liegen, wie wir anre- gende Lernarrangements und Lern- welten gestalten können, in denen sich Lernende auf ihren Wegen der Kompe- tenzentwicklung selbstgesteuert bewe- gen können. Diese Arrangements und Lernwelten sind nicht nur digital bereit- zustellen, aber auch. Die wesentliche Voraussetzung für das Gelingen eines solchen Lernkulturwan- dels ist die Befähigung der Lehrenden zur Lernbegleitung und Lernberatung. Hier sind die Angebote der systemi- schen Pädagogik, wie wir sie mit zahlrei- chen Institutionen realisieren, nach mei- ner Erfahrung besonders hilfreich und wirksam. Prof. Dr. Rolf Arnold im 1. LENA-Magazin Im Juni 2014 erschien das erste LENA-Magazin, für das Rolf Arnold mit einem Interview zur Verfügung stand. Ein prägender Satz: „Man kann durchaus viel wissen, aber nichts können.“ Spätestens seit der Covid-19-Pan- demie ist klar, was Kompetenz kann, wo Wissen wenig nützt. Nämlich dann, wenn wir mit noch nie dagewesenen Herausforderun - gen konfrontiert werden, für die es neue Lösungen braucht. Gut, dass die WIFIs schon bestens darauf vorbereitet waren. ENTfaLTEN KaNN SICH NUR, WaS WIR NICHT VERHINDERN INTERVIEW MIT UNIV.-PROF DR. ROLF ARNOLD s r e d n E / h c i e r r e t s Ö I F I W © „Mein Tipp an Unternehmen: Gewähren Sie Freiräume, honorieren Sie Ideen und bringen Sie den Menschen Wertschätzung entgegen.“ Eine Meinung, die viele Betriebe teilen: „So, wie die Menschen heute aus der Schule kommen, können wir sie nicht brauchen.“ Laut dem wissenschaftlichen Begleiter des WIFI-Lernmodells LENA werden Unternehmen den Erfolg des neuen Lehrens und Lernens am schnellsten merken. Was ist der Unterschied zwischen Wissen und Können? Univ.-Prof. Dr. Rolf arnold: Früher war Wissen das, was man in Bibliotheken fand. Heute entsteht relevantes Wissen längst nicht mehr nur an der Universität, sondern im Forschungskontext mit Wirtschaft und Unter- nehmen. Wissen heißt heute, Zusammen- hänge zu erkennen. Wissen schafft aber noch keine Kompetenz. Wir müssen da viel nüch- IM FOKUS terner werden. Man kann nämlich durchaus viel wissen und nichts können. Kompetenz heißt zum Beispiel Fehler erkennen, zuhören können, Lösungen fi nden. Kann es sein, dass Menschen, die den Frontalunterricht gewohnt sind, Schwie- rigkeiten mit den aktivierenden LENA- Methoden haben? Arnold: Vielleicht wirken neue Methoden anfangs irritierend, doch Menschen lieben es, zu kooperieren. Kompetenzwirksames Lernen tut außerdem allen gut. Es ist eine Frage, wie man aufeinander zugeht. Wer erfährt, dass er oder sie selbst lernen kann und Talente hat, wird persönlich gestärkt. Wer wird am meisten vom WIFI-Lern- modell LENA profi tieren? Arnold: Den Erfolg des Lernmodells werden am schnellsten die Unternehmen merken. Wer beim WIFI war, ist gestärkt, traut sich mehr zu und agiert innovativer. Viele Impulse für die Erwachsenenbildung kommen ja aus Betrieben, die sagen: So, wie die Menschen heute aus der Schule kommen, können wir sie nicht brauchen. Führungskräfte wollen immer weniger „herrschen“, sondern sie wünschen sich, dass sich die Menschen selbst bewegen. Wie können Unternehmer/innen bzw. Personalistinnen/Personalisten nachhal- tiges Lernen in den Betrieben verankern? Arnold: Beobachten Sie, wie innovative Unternehmen das machen! Sie offerieren den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Möglichkeiten zum Lernen und Auspro- bieren. Routinen werden aufgeweicht, damit Neues entstehen kann. Mein Tipp an Unternehmen: Gewähren Sie Freiräume, honorieren Sie Ideen, fördern Sie kritische Gedanken und bringen Sie den Menschen Wertschätzung entgegen! Was fasziniert Sie persönlich am Lernen? Arnold: Mich faszinieren die unglaublich revolutionären Potenziale, die in Lernenden schlummern und die zur Entfaltung gelangen können, wenn wir es nicht verhindern. • Juli 2014 19 WIFI-Magazin LENA 2023/24 21